Zur Aufnahme und Integration der Vertriebenen in Eberswalde 1945 - 1948

Die Situation nach dem Krieg in der Provinz Brandenburg

Die preußische Provinz Brandenburg wurde in den letzten Kriegswochen besonders in Mitleidenschaft gezogen: der Widerstand an der Oder, die Kämpfe um die Seelower Höhen und die Bildung des Rings um Berlin kosteten zehntausenden Soldaten und Zivilisten das Leben, verwandelten Städte wie Frankfurt (Oder) und Forst in Trümmerwüsten. Unter den Ländern der sowjetischen Besatzungszone nahm Brandenburg beim prozentualen Anteil an zerstörtem und unbenutzbarem Wohnraum den zweiten Platz ein. Verschärft wurde die Wohnungsnot durch die vor allem aus Berlin stammenden Evakuierten und den seit dem Frühjahr 1945 aus dem Osten eintreffenden Flüchtlingstrecks. Brandenburg glich bei Kriegsende einem Durchgangsbahnhof von Ost nach West, und von West nach Ost: An der Oder stauten sich die Menschenmassen der nach Westen oder wieder in ihre Heimat strebenden Deutschen, gleichzeitig wollten aber auch die polnischen, ukrainischen und sowjetischen Frauen und Männer in ihre Heimat, die für die deutsche Rüstungswirtschaft Zwangsarbeit hatten leisten müssen. Von Mai bis Oktober 1945 wurden in Brandenburg ca. 600.000 Flüchtlinge und Vertriebene sowie 26.000 Bombenevakuierte gezählt. Schätzungen gingen von weiteren 600.000 „von ihrer Heimat losgelöste und in der Mark Brandenburg vagabundierende Personen“ aus. (1)

Noch vor der Potsdamer Konferenz Ende Juli, Anfang August 1945 begannen die polnischen Behörden, die verbliebenen Deutschen aus den Territorien östlich von Oder und Neiße auszuweisen. Da aber bis Juli 1945 die Provinzialbehörden keine koordinierten Maßnahmen bei der Verteilung und Unterbringung der Ankommenden trafen, waren die lokalen und regionalen Verwaltungen bei der Bewältigung der damit verbundenen Probleme auf sich gestellt. Der massenhafte Zustrom der Vertriebenen seit Mai 1945 zwang diese, in kürzester Zeit und häufig improvisiert, Auffang-, Durchgangs- und Verpflegungsstellen einzurichten. Weiterhin wurden Notunterkünfte in Schulen, Turnhallen, Gaststätten und Fabrikhallen geschaffen oder ehemalige Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager dafür genutzt. Nicht selten beanspruchten die sowjetischen Truppen die bereits eingerichteten Unterkünfte, so dass diese wieder geräumt werden mussten.

Um die Arbeit der lokalen Behörden zu koordinieren und übergreifende Fragen, wie zum Beispiel Bevölkerungsbewegung, Lebensmittel- und Brennstoffversorgung, zu steuern, wurde am 5. Juli 1945 die Provinzialverwaltung Brandenburg eingerichtet. Analog wurden auf der mittleren Verwaltungsebene Bezirksverwaltungen eingesetzt.

Für die Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen gab es zunächst keine eigenständige Verwaltungsabteilung: erst am 1. Oktober 1945 wurde auf Weisung der sowjetischen Militärverwaltung eine Abteilung „Umsiedler“ im Amt für Arbeit und Sozialwesen eingerichtet. (2)

Die mit der „Umsiedlerbetreuung“ befassten Behörden sahen neben der Errichtung und Instandhaltung von Aufnahmelagern die medizinisch-hygienische Betreuung, die Versorgung der Heimatvertriebenen mit Lebensmitteln und Bekleidung sowie die Beschaffung von Wohnraum als ihre wichtigsten Aufgaben an.

Durch die Einweisung in ein Lager sollten die erschöpften Vertriebenen in einer mindestens zweiwöchigen Quarantäne auf ansteckende Krankheiten untersucht und die bereits auf dem Transport erkrankten Personen behandelt werden, um eine Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Bis zum 18. September 1945 entstanden vier solcher Lager: in Brandenburg für 5-8.000 Personen, in Krahnsdorf (Kreis Luckau) für 8.000 Personen, in Jamlitz (Kreis Lübben) für 15.000 Personen und Bad Wilsnack für 500 Personen.

Bis zum März 1946 entstanden in Brandenburg 84 Auffang- und Quarantänelager mit einer Aufnahmefähigkeit von 128.000 Personen. Von den Auffanglagern an der Oder gelangte die Mehrheit der Vertriebenen in die Quarantänelager der Provinz oder wurde bei gutem Gesundheitszustand in Lager der anderen Länder und Provinzen weitergeleitet. Allein bis zum März waren 103 Transportzüge mit über 200.000 Menschen nach Mecklenburg, Sachsen und Thüringen geleitet worden. Hinzu kamen 40 Züge für über 40.000 Westevakuierte und Flüchtlinge mit Zuzugsgenehmigung für die Westzonen. Der Mangel an Transportmöglichkeiten und der schlechte Zustand der Wege führten nicht selten dazu, dass die Menschen tagelang auf den Bahnhöfen lebten, auf den nächsten Zug warteten und nun zusätzlich von den Städten versorgt werden mussten. (3)

Neben der notdürftigen Ausstattung der Lager erschwerte der extreme Mangel an Decken, Bekleidung und Betten die ärztliche Betreuung der Heimatvertriebenen. Da die Herstellung neuer Kleidung wegen fehlender Rohstoffe und finanzieller Mittel kaum möglich war, erlangten Organisationen wie die „Märkische Volkssolidarität“ große Bedeutung, deren Mitarbeiter sowohl Geld- und Sachspendensammlungen als auch Sammlungen von Altmaterial und Altstoffen durchführten. Diese wurden in den Nähstuben der Lager verarbeitet, wo die Vertriebenen die Möglichkeit hatten, aus verschlissenen Sachen etwas zum Anziehen für sich und ihre Angehörigen zu nähen bzw. ihre Wäsche auszubessern.

Die Ernährungssituation war in den ersten Nachkriegsjahren katastrophal. Da die Lebensmittelkarten nicht ausreichten und die Vertriebenen bei der Rationierung der Waren oft unberücksichtigt blieben, mussten sie sich selbst helfen, indem sie mitgebrachte Sachgegenstände eintauschten, Felddiebstähle begingen oder bettelnd von Haus zu Haus zogen. Viele verdingten sich auch als Landarbeiter in den Dörfern.

Die Beschaffung von Wohnraum für die Vertriebenen, damit verbunden auch die Bereitstellung von Einrichtungsgegenständen, gestaltete sich ebenfalls schwierig. Der vorhandene Wohnraum musste durch die Behörden erfasst und umverteilt werden. Die Vertriebenen wurden als Untermieter bei den Einheimischen eingewiesen und nicht selten konnte die Abgabe von Wohnraum nur mit Hilfe der Polizei nach den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 18 erzwungen werden. Das führte oft zu großen Gegensätzen zwischen den Vertriebenen und den Einheimischen und war Ausgangspunkt fortwährender Streitigkeiten. Sie wurden als Eindringlinge und Belastung empfunden, denn bei kleineren Wohnungen konnten keine getrennten Wohneinheiten geschaffen werden, wodurch Toilette, Küche, Kochstelle und Waschküche gemeinsam benutzt werden mussten. Schwierigkeiten gab es auch, weil die meisten Vertriebenen kaum Mobiliar und Hausrat besaßen und gezwungen waren, die Gegenstände der Wohnungsinhaber zu nutzen, die wiederum oftmals nicht gewillt waren, die Gebrauchsgegenstände in den Räumen zu belassen oder den Aufgenommenen zur Verfügung zu stellen. Die Spannungen entluden sich oft in Beschimpfungen der Vertriebenen als „Polacken“, „Pack“, „Gesindel“ oder „Bande“; konnten aber auch zu tätlichen Angriffen mit Körperverletzung führen. Trotz aller Schwierigkeiten und der häufig miserablen Wohnbedingungen konnten die meisten Vertriebenen bis 1947 untergebracht werden.

Die behördlichen Maßnahmen in Eberswalde

Erste Informationen über das Flüchtlingsproblem in Eberswalde finden sich in den Berichten von den Sitzungen der Bezirksbürgermeister vom Juli 1945. Demnach müssen sich bereits Flüchtlinge im Stadtgebiet aufgehalten haben, denn der sowjetische Stadtkommandant hatte angeordnet, dass wegen eventueller Seuchengefahr sämtliche Flüchtlinge aus dem östlichen Odergebiet nicht mehr in Privathaushaltungen untergebracht werden dürften. Als Dezernent für das Gesundheitswesen wurde Herr Dr. Seele beauftragt, für die Flüchtlinge Auffang- und Übernachtungsstellen einzurichten, wo auch eine warme Mahlzeit am Tage ausgegeben werden sollte. Als Unterkunftsstellen wurden die „Harmonie“ und „Neumanns Festsäle“ in Aussicht genommen. Dr. Seele berichtete, dass bereits in der Nacht vom 5. zum 6. Juli in der „Harmonie“ ca. 60 Personen untergebracht worden seien. Der Saal der „Harmonie“ habe etwa 100 Personen, der Nebenraum noch einmal 40 Personen Platz geboten. Die Flüchtlinge sollten zuerst zur „Harmonie“ geschickt und von dort aus durch eine Helferin in die Hindenburg-Oberrealschule weitergeleitet werden. Die Verpflegung erfolgte im evangelischen Gemeindehaus. Die Unterkunft sollte nur für eine Nacht gewährt werden, jedoch sollten Kranke für eine längere Zeit beherbergt werden. Die städtische Verwaltung sollte für das Flüchtlingslager Waschmittel, Schrubber und Besen zur Verfügung stellen und für Arbeitskräfte sorgen, die dort zur Reinigung eingesetzt werden konnten. (4) Über die Zustände in der „Harmonie“ berichtete Herr A.: „Die Flüchtlinge wurden damals in der Harmonie untergebracht. […] Das war damals der einzige große Saal, der noch einigermaßen brauchbar war. Zwar waren gerade rüber noch Neumanns Festsäle, aber die waren zum Teil zerstört. Da konnte man keine reinbringen. Deshalb wurden die Flüchtlinge in der Harmonie untergebracht. Aber da gab’s ’n Drama, weil nämlich für die vielen Flüchtlinge, die in dem riesigen Saal schliefen und in den ganzen Nebenräumen: auf der Bühne, neben der Bühne, in der Garderobe, oben in den Räumen und überall, die hygienischen Verhältnisse nicht in Ordnung waren. Denn die paar Toiletten, die vorhanden waren, reichten nicht aus […].“ (5) Ähnlich war die Situation im evangelischen Gemeindehaus in der Eisenbahnstraße. Nach Aussage des Pfarrers Schuppan „waren alle Räume, der Hof, die Treppen gefüllt mit Flüchtlingen“. (6)

In einer der folgenden Sitzungen der Bezirksbürgermeister berichtete Dr. Seele über die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Die Zahl der in den Notquartieren untergebrachten Flüchtlinge steige ständig. Beim Eintreffen der Flüchtlinge erfolge zunächst eine gründliche ärztliche Untersuchung und alle Kranken, besonders Infektionskranke würden sofort ausgesondert. Der Zubereitung der Verpflegung und Verteilung der Lebensmittel habe sich das Gemeindehaus unter Leitung von Herrn Pastor Schuppan angenommen. Allgemein fehle es an Brot, das von der Stadt nicht in größeren Mengen zur Verfügung gestellt werden könne. Sorge bereite ihm das Verhalten der Flüchtlinge, die auf den Plätzen um die Quartiere herum kochten und als Brennholz alles verwendeten, was ihnen irgendwie in die Hand komme. Außerdem herrsche große Unsauberkeit in den Quartieren, wodurch die Seuchenbekämpfung erschwert werde. (7)

Sorgen bereitete den Stadtvätern auch die Situation rings um den Bahnhof. Ein Vertreter des Bahnhofsvorstandes berichtete im Juli 1945: „[…] Da nicht alle Flüchtlinge in den städtischen Notquartieren untergebracht werden können, viele Flüchtlinge sich auch gar nicht dorthin wenden, hat die Reichsbahn erhebliche Schwierigkeiten und Sorgen durch diese Flüchtlinge, die auf dem Bahnhof und Bahnhofsvorplätzen herum liegen und sich dort oft tagelang aufhalten. Unter diesen Flüchtlingen befinden sich viele Kranke, insbesondere Darmkranke, die keiner ärztlichen Betreuung unterstehen und eine große Gefahr für die Allgemeinheit bilden. Da die Bedürfnisanstalten unter diesen Verhältnissen nicht ausreichen, ist der ganze Bahnhofsvorplatz verschmutzt und bildet somit einen weiteren Seuchenherd. Die vorgesehenen Züge verkehren nicht regelmäßig, bzw. sind zum Teil überhaupt noch nicht gefahren, wodurch die Stauung der Flüchtlinge immer mehr zunimmt. Auch am Bahnhof wird abgekocht und Brennholz gestohlen. Da hierzu in großem Umfange auch die den Bahnhof und das Bahnhofsgelände einsäumenden Zäune abgerissen worden sind, ist eine Kontrolle des Bahnhofsgeländes nicht mehr möglich. Herr V. schlägt deshalb vor, einen Sammelplatz für diese am Bahnhof lagernden Flüchtlinge zu schaffen, wo diese hingeschafft werden sollen, damit der Bahnhof selbst frei wird, und von wo ein beschleunigter Abruf möglich ist. Der Fahrdienstleitung ist die Ankunft eines Zuges etwa eine Stunde vorher bekannt, so dass eine rechtzeitige Benachrichtigung möglich wäre, wenn hierauf bei der Auswahl des Platzes entsprechend Rücksicht genommen wird. Eine nicht unerhebliche Schwierigkeit bietet auch die täglich unter den Flüchtlingen am Bahnhof vorkommenden Todes- und Krankheitsfälle. Die Aussprache ergab leider keine befriedigende Lösung darüber, wo und wie diese am Bahnhof lagernden Flüchtlinge noch unterzubringen sind.“ (8) Auch hier engagierte sich Pfarrer Schuppan. Er berichtete: „In dieser Zeit [Sommer 1945 – Anm. M.W.] habe ich mit Hilfe vieler Frauen und Männer die Bahnhofsmission eingerichtet, die zunächst sogar Übernachtungsräume besaß […]. Viele Flüchtlinge sind dort in Empfang genommen und mit den notwendigsten Nahrungsmitteln versorgt worden. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir mit Helfern und Helferinnen nach Berlin gefahren sind und dort versucht haben, Lebensmittel und Kleidung zu organisieren. Aus den USA sind damals sogenannte Care-Pakete geschickt worden, die im wesentlichen über die Kirche verteilt wurden.“ (9)

Diese Beispiele zeigen, wie in den ersten Wochen und Monaten die lokalen Behörden und Institutionen mit dem Flüchtlingsstrom konfrontiert waren und bei der Bewältigung der damit verbundenen Probleme der Unterbringung, medizinischen Betreuung und Verpflegung auf sich gestellt blieben. Das sollte sich auch bis zum Herbst 1945 nicht ändern.

Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 wurde von den Alliierten der sog. „human transfer“ der Deutschen aus den nun unter polnischer Verwaltung stehenden Gebieten östlich der Oder beschlossen. Zu diesem Zweck wurden entlang der Oder Auffanglager und in den Städten der Provinz Brandenburg Quarantänelager errichtet, in denen die Vertriebenen zunächst erfasst und medizinisch betreut werden sollten, um dann auf die einzelnen Städte und Gemeinden aufgeteilt zu werden. Im Oktober 1945 wurde in Eberswalde ein so genannter Ortsumsiedlerausschuss aus Vertretern der Verwaltung, der Parteien und Gewerkschaften gebildet, dessen Aufgabe die Auswahl und Errichtung geeigneter Lager für die durchzuschleusenden „Umsiedler“ war. In Betracht kamen mehrere Barackenlager an verschiedenen Plätzen im Stadtgebiet: „Harmonie“ in der Weinbergstraße mit Platz für 500 Leute, „Neumanns Festsäle“ ebenfalls in der Weinbergstraße für 250 Personen, das Evangelische Gemeindehaus in der Eisenbahnstraße, einige Baracken in der Rudolf-Breitscheid-Straße mit einem Fassungsvermögen von 2.000 Menschen, die Westend-Schule in der Triftstraße für 1500 Personen, die Bürgerschule III, in der Breitestraße für 1.200 Menschen, das Gymnasium in der Eisenbahnstraße für 500 Vertriebene, die Berufs- und Handelsschule in der Düppelstraße mit einer Aufnahmefähigkeit von 1.500 Personen, die Drenitz-Baracken in Finow-Ost für 4.000 Personen, die KZ-Baracken, Finow-Ost für 3.000 Menschen („eigenmächtig von russischen Truppen belegt, Freigabe durch Kommandantur“), Baracken am Gasometer, Finow-Ost für 1.000 Personen („eigenmächtig von Zivilrussen bewohnt, Freigabe durch Kommandantur“), das RAW-Verwaltungsgebäude in der Eisenbahnstraße für 1.000 sowie die Reichsbahn-Baracken für ebenfalls 1.000 Personen („in sehr schlechtem Zustand, Einrichtung nicht zu empfehlen“). Man entschloss sich, die Baracken in der Rudolf-Breitscheid-Straße als Quarantänelager für den Stadtkreis Eberswalde zu nutzen. In dem dazugehörigen Wohnhaus der ehemaligen Reichsfeuerwehrschule wurden die Küche, die Wirtschaftsräume und Wohnung des Lagerleiters sowie Räume für die ärztliche Betreuung und das Pflegepersonal eingerichtet. An den vorhandenen Baracken fehlten zunächst Fenster, Türen und Schlösser, Lichtanlagen sowie neue Kochgelegenheiten mussten beschafft und aufgestellt werden. Die notwendigen Einrichtungsgegenstände sollten aus den öffentlichen städtischen Gebäuden (Bürgerschule III, Luftschutzkeller Rathaus, Gymnasium und Pestalozzi-Waisenhaus) besorgt werden. Für die medizinische Betreuung ständen zwei Entlausungsanlagen im Krankenhaus Kurmark, eine im städtischen Krankenhaus und eine in der Oderberger Straße zur Verfügung. In seiner Arbeit werde Dr. Seele von drei Sanitätern und dreizehn Rote-Kreuz-Helferinnen unterstützt. (10)

Das Lager in der Breitscheid-Straße existierte bis zum 31. Januar 1947, danach sollte es Verwendung finden zur Schaffung zusätzlichen Wohnraumes sowie zur Schaffung von Werkstätten für Umsiedler. Für die Verwendung des Inventars behielt sich die Provinzialregierung die weitere Entscheidung vor; es sollte aber bevorzugt für den Bedarf der verbleibenden Lager in der Provinz Mark Brandenburg sowie der im Stadtkreis Eberswalde eingewiesenen Umsiedler Verwendung finden. Bereits am 8. Februar seien umfangreiche Bestände an Sanitätsmittel nach Potsdam gebracht worden. Nach dem Tätigkeitsbericht der Unterabteilung Sanitätswesen bei der Provinzialregierung für die Zeit vom 15. April bis 14. Mai 1947 wurden Medikamente, Arznei- und Verbandsmittel aus dem aufgelösten Lager in Eberswalde an das Umsiedlerlager Saalow abgegeben. (11)

Die Räume der „Harmonie“ wurden bis spätestens Frühjahr 1946 zur Unterbringung von Vertriebenen genutzt, denn in einem Schreiben an den Stadtkommandanten vom 10. Mai 1946 teilte der Oberbürgermeister mit, dass die „Harmonie“ als Eberswalder Volkshaus eingeweiht werden solle. (12)

Nach der Errichtung des Quarantänelagers stand die Ernährung der Vertriebenen, deren Versorgung mit Kleidungsstücken und die Beschaffung von Wohnraum im Mittelpunkt der Tätigkeit des Ortsumsiedlerausschusses. Dieser arbeitete eng mit dem städtischen Wohnungsamt, Arbeitsamt, Amt für Handel und Versorgung sowie dem Sozialamt zusammen.

Die Beschaffung des Wohnraums gehörte sicherlich zu den größten Schwierigkeiten der Stadtverwaltung. Zum einen war die Stadt durch den Fliegerangriff Ende April 1945 stark zerstört worden (25 Prozent des Wohnraums war nicht mehr nutzbar), zum anderen wurde ein Großteil der Wohnungen von der Roten Armee für die Unterbringung ihrer Angehörigen in Anspruch genommen. Aufgrund des enormen Materialmangels, aber auch der Rationierung der Baumaterialien war an Wiederaufbau, geschweige denn an einen Neubau von Wohnungen, kaum zu denken. Nach dem Krieg stieg die Zahl der Einwohner in sehr kurzer Zeit an, denn viele der vor der Front geflohenen Eberswalder kehrten zurück. Sie mussten sich nun häufig eine neue Bleibe suchen. Ende April 1945 lebten in Eberswalde etwa 9.000 Menschen, am 2. Mai wurden bereits 17.500 Einwohner gezählt und Ende Juni habe die Einwohnerzahl mehr als 21.000 betragen. (13)

Also war es notwendig den vorhandenen Wohnraum zu erfassen und ihn neu zu verteilen, indem größere Wohnungen geteilt wurden. So gelang es der Verwaltung bis Ende 1947 allen eingemeindeten Vertriebenen einen festen Wohnsitz zu verschaffen, zumeist als Untermieter bei Alteingesessenen. Dass sich diese Wohnungen nicht immer im gewünschten Zustand befanden, zeigen die zahlreichen Berichte, die im Rahmen einer Kontrolle von 250 Wohnungen von Mitarbeitern des Ortsumsiedlerausschusses erstellt worden waren.

Die erwähnten Berichte gaben auch Auskunft über den großen Mangel an Kleidungsstücken und Haushaltsgegenständen. Wichtig für die Versorgung der Vertriebenen mit Kleidung wurden die Sachspendensammlungen der „Märkischen Volkssolidarität“, da viele Vertriebenen nur mit dem Hab und Gut ankamen, das sie tragen konnten, und nur die Kleidung besaßen, die sie auf dem Leib trugen. Doch die Not der Vertriebenen konnten diese Aktionen kaum lindern. Selbst solche propagandistisch vorbereiteten Aktionen wie die „Umsiedlerwoche“ Ende Oktober 1947 blieben hinter den Erwartungen und dem zuvor erfassten Bedarf an Gegenständen für die Hilfsbedürftigen weit zurück. Erst mit der Verteilung von Gegenständen, die die Provinzialregierung zur Verfügung stellte, konnte im folgenden Jahr der nötigste Bedarf gedeckt werden.


(1) Vgl. Petra Pape, Flüchtlinge und Vertriebene in der Provinz Brandenburg, in: Manfred Wille u. a. (Hrsg.), Sie hatten alles verloren. Flüchtlinge und Vertriebene in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Wiesbaden, S. 110f., Zitat S. 110.

(2) Vgl. ebd., S. 111f.

(3) Vgl. ebd., S. 112, 114f.

(4) Kreisarchiv Eberswalde (KA E), Akte EA 2665, Bl. 84ff.

(5) Zit. n. Kathrin Schwarz, Die Eingliederung der Flüchtlinge und Umsiedler in die sowjetische Besatzungszone und die DDR. Lebensberichte – Am Beispiel der Stadt Eberswalde, Land Brandenburg, Dresden 1993, Anhang, S. 71f. (unveröffentlichte Abschlussarbeit).

(6) Ebd., Anhang, S. 17

(7) Vgl. KA E, Akte EA 2665, Bl.89ff.

(8) Ebd., Bl. 91f.

(9) Zit. n. Schwarz, Eingliederung, Anhang, S. 17.

(10) KA E, EA 2113, Bl. 99; Akte C II 933.

(11) Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BrLHA), Rep. 203, MdI, Nr. 1190, Bl. 352; Rep. 211, MfG, Nr. 1072, Bl. 36, 46.

(12) Vgl. KA E, Akte C II 1072.

(13) Zahlen nach: Geschichte des VEB Kranbau Eberswalde. Chronik, Teil I: Von den Anfängen der Besiedlung des Territoriums Eberswalde-Finow bis zum V. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Juli 1958, S. 20; KA E, Akte EA 2665, Bl. 3f., Bl. 63f.