Zwischen Vergessen und Erinnerung

Spuren jüdischen Lebens im Oderbruch (Groß Neuendorf)

Zum Mythos Oderbruch gehören Schlagworte wie religiöse Toleranz und Asyl für Glaubensverfolgte aus fernen Regionen. In erster Linie betrifft dies Siedler, die religiösen Minderheiten angehörten und im Zuge der Kolonisierung des Oderbruchs ins Land gekommen waren. Vernachlässigt werden dabei in der Regel die jüdischen Bewohner des Bruchs. Möglicherweise erscheint die Beschäftigung mit dem jüdischen Leben im Oderbruch auf den ersten Blick ungewöhnlich. Denn erstens findet heute kein aktives jüdisches Leben in der Region mehr statt und zweitens werden jüdische Spuren in der Regel nur bei genauerem Hinschauen sichtbar. Außerdem vermutet die Öffentlichkeit jüdisches Leben eher in Städten, weniger in ländlichen Räumen. Bekannt sind die bedeutsamen jüdischen Gemeinden in Potsdam und natürlich in Berlin, wo die prachtvolle Neue Synagoge, der große jüdische Friedhof in Weißensee und das Scheunenviertel zum allgemeinen Touristenprogramm gehören. Trotzdem erscheint ein Blick ins Oderbruch lohnenswert. Schließlich wissen wir, warum in den 1930er und 1940er Jahren das jüdische Leben im Oderbruch erloschen ist, und welche Verantwortung und Verpflichtung uns daraus erwachsen ist. Darüber hinaus spielten Juden im Oderbruch durchaus eine wichtige Rolle. Carsten Liesenberg hat auf dem Territorium des heutigen Bundeslandes Brandenburg 40 Orte gezählt, in denen es vor 1938 Synagogen oder Betsäle gegeben hat. (1) Blickt man nun ins Oderbruch, sind als Synagogenstandorte Wriezen, Bad Freienwalde, Seelow, Groß Neuendorf und Oderberg sowie in der weiteren Umgebung noch Strausberg, Müncheberg und Eberswalde bekannt. Dies ist eine durchaus bemerkenswerte Konzentration. Außerdem muss man in Erinnerung rufen, dass es in Wriezen im 19. Jahrhundert eine der größeren jüdischen Gemeinden in Brandenburg gab (2) und dass natürlich das Oderland in erheblichen Maße durch die Stadt Frankfurt (Oder) mit ihrer bedeutsamen jüdischen Gemeinde geprägt wurde. Es gibt also mehrere Gründe, die dafür sprechen, einen Blick auf das jüdische Leben im Oderbruch zu werfen.

Kurzer Überblick zur jüdischen Geschichte Brandenburg-Preußens

Da die Quellensituation für die mittelalterlichen Zeiten sehr problematisch ist, muss der Blick auf die brandenburgisch-preußische Geschichte gerichtet werden, um etwas über die Bedingungen zu erfahren, unter denen Juden in der Region lebten. Wir wissen nicht viel über jüdisches Leben in der Frühzeit der Mark. Da hilft auch der in der Forschung häufig zitierte Satz von Adler: „Seit es einen deutschen Staat gibt, seit dem Reich Karls des Großen, haben immer Juden unter Deutschen gelebt“ (3) nur wenig weiter, da das zu untersuchende Territorium erst relativ spät von Deutschen besiedelt wurde. Überliefert ist, dass es am Ende des 10. Jahrhunderts jüdische Händler in Magdeburg gab. So kann man durchaus davon ausgehen, dass damals „in einzelnen Teilen der späteren Mark, beispielsweise der Neumark, im Land Lebus, im Barnim und in der Lausitz Juden sesshaft geworden sein“ (4) können. Mit der planmäßigen Kolonisierung, der Errichtung des Städtenetzes und der Anlage von Handelswegen in der Regierungszeit der Askanier wurden die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Juden geschaffen. So stammen auch die ersten Quellen, die uns von Juden in Brandenburg berichten, aus dem 13. Jahrhundert. Erwähnt werden beispielsweise Stendal (vor 1267), Frankfurt/Oder und Spandau (1294) sowie Berlin (1295) (5). Sehr früh, 1247, taucht der Bericht vom sogenannten „Beelitzer Wunderblut“ auf (6). Auch wenn man diese Überlieferung mit Vorsicht behandeln muss, ist es doch bezeichnend, dass Juden in erster Linie im Zusammenhang mit Beschuldigungen und Verfolgungen genannt werden. Die folgenden Jahrhunderte waren für Juden eine sehr wechselvolle Geschichte zwischen Ansiedlung, Privilegierung, Verfolgung und Vertreibung.

Zu schweren Übergriffen, Exzessen und Vertreibungen kam es, nachdem im 14. Jahrhundert in Europa die Pest wütete. Damals beschuldigte man die Juden als Brunnenvergifter. Trotzdem lebten weiterhin Juden in Brandenburg, so zum Beispiel in Prenzlau, obwohl der Magistrat ausdrücklich aufgefordert worden war, die Juden auszuweisen. (7) Neuaufnahmen von Juden waren in der Regel für einen begrenzten Zeitraum gegen die Zahlung eines Schutzgeldes möglich. In der Forschung wird deshalb von den sogenannten Schutzjuden gesprochen. Schutzjude war die Bezeichnung für Juden, die ein landesherrliches Privileg besaßen, welches ihnen gegen Zahlung von Abgaben Wohnsitz gewährte und berufliche Betätigung erlaubte (8). Dabei handelte es sich in erster Linie um Kauf- und Handelstätigkeiten: Pfandleihgeschäfte, Klein-, Haustier-, Fleisch- und Viehhandel, sowie Geldhandel beziehungsweise Geldleihgeschäfte (9). Mit dem gesteigerten Kreditbedürfnis der Gesellschaft wuchs die Rolle von Juden als Gläubiger. Gleichzeitig wurden sie jedoch als religiöse Widersacher bekämpft (10). Während vor allem die Stände die Judenverfolgung energisch betrieben, war der Kurfürst materiell an ihnen interessiert. Sie waren für ihn eine Geldquelle und ihr Handel belebte die Wirtschaft. Außerdem brachten sie viele der am Hof begehrten ausländischen Luxusgüter ins Land. Trotzdem boten die Schutzbriefe nur eine sehr begrenzte Sicherheit und es kam wiederholt zu Verfolgungen und Vertreibungen. So zum Beispiel 1510 als unter den Beschuldigungen, Hostienfrevel und Ritualmorde an Kindern begangen zu haben, 38 Juden in Berlin hingerichtet wurden und beschlossen wurde, sämtliche Juden aus der Mark zu vertreiben (11). Trotzdem wurden seitens der Kurfürsten erneut Privilegien vergeben. So durften beispielsweise 1539 polnische Juden in der Mark Handel treiben. Frankfurt (Oder) war damals ein bedeutender Marktort und Umschlagplatz im Ost-West-Handel (12).

In jenen Zeiten kam es zum Aufstieg von sogenannten Hoffaktoren oder Hofjuden. Das waren „jüdische Unternehmer, zu deren Funktionen die Kreditvermittlung, die Warenbeschaffung, aber auch politische und diplomatische Dienste an Fürsten- und Königshöfen gehörten. Sie besaßen auf Grund ihrer Tätigkeiten das Vertrauen der Fürsten und Könige, waren jedoch in gleichem Maße von jenen abhängig“ (13). In der Mark erlangten beispielsweise Michael von Derenburg und der Münzmeister Lippold großen Einfluss (14). Als Kurfürst Joachim II. 1571 unter rätselhaften Umständen starb, wurde Lippold der Vergiftung und Zauberei beschuldigt und hingerichtet. Gleichzeitig wurden die Juden erneut aus der Mark vertrieben (15). Dies war eine große Zäsur in der jüdischen Geschichte Brandenburgs, denn fast 100 Jahre lang gab es kein offizielles jüdisches Leben in der Mark mehr. Trotzdem gab es auch in der damaligen Zeit einige Juden in der Mark. So hatten 1620 polnische Juden ein Privilegium zum Handel in der Neumark und in Frankfurt (Oder) inne. Frankfurt war damals eine wichtige Messestadt, wobei die Juden am Messegeschehen „auch in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges einen positiven Anteil hatten“ (16). Die Frankfurter Messe förderte die brandenburgische Wirtschaft und war eine wichtige Finanzquelle für den Fiskus.

Im Jahre 1671 gewährte Kurfürst Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, 50 jüdischen Familien aus Wien Asyl in Brandenburg. Dieses Datum gilt als Beginn der modernen jüdischen Geschichte in Brandenburg und darauf bezieht man sich üblicher Weise, wenn von preußischer Toleranz die Rede ist. Gemeint ist damit die Trennung von staatlicher und konfessioneller Politik. Brandenburg-Preußen gilt auch deshalb als Musterland religiöser Freiheit. Da drängt sich die Frage auf, ob die brandenburgischen Herrscher nach 100 Jahren nun judenfreundlich gesinnt waren? Das kann man wohl verneinen. Wie auch bei der späteren Kolonisierung des Oderbruchs ging es um gezielte Bevölkerungsvermehrung und auch fiskalische Interessen spielten eine wichtige Rolle. Julius H. Schoeps schrieb zur Frage von Glaubensfreiheit und Toleranz: „Es war nicht nur der Geist religiöser Duldsamkeit, der Brandenburg zum Asyl der Religionsverfolgten machte, sondern die Politik der Staatsklugheit, der handfesten Interessen, die diese Einwanderungspolitik bestimmte“ (17). In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nach dem Dreißigjährigen Krieg, war die Mark verwüstet und entvölkert. Friedrich Wilhelm I. modernisierte als Merkantilist den Staat. Für ihn waren Juden in ihrer Eigenschaft als Kaufleute, Unternehmer und Finanzleute nützlich. So überrascht es dann auch nicht, dass die 50 Familien aus Wien alle wohlhabend waren. Sie erhielten aber keine weitergehenden Rechte, durften beispielsweise keine Synagogen bauen. Die Judenpolitik des Großen Kurfürsten und seiner Nachfolger orientierte sich „an den steuer- und wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten des sich herausbildenden merkantilistischen Industriestaates“ (18) und nicht an Toleranzideen oder christlicher Nächstenliebe.

Doch zurück zu den 50 Familien. Wir besitzen kein lückenloses Verzeichnis der Orte, in denen sich die Familien niederließen. Erwähnt werden zum Beispiel Beelitz, Brandenburg/Havel, Friesack und Nauen (19). Neben Berlin war aber auch Frankfurt einer der Hauptorte, denn alleine 10 Familien kamen an die Oder (20). Dies verdeutlicht noch einmal die Bedeutung der Stadt für die gewerbliche Entwicklung des kurbrandenburgischen Staates und die Rolle, die Juden dabei spielten. Sie sollten den Handel und das Manufakturwesen fördern und waren gleichzeitig eine von den Ständen unabhängige finanzielle Einnahmequelle. Die Aufnahmebestimmungen waren zunächst relativ unpräzise und wurden mehrfach verändert: z.B. die Höhe der zu zahlenden Schutzgelder, Geburtenregelungen, Vermögensnachweise und zahlenmäßige Beschränkungen der jüdischen Familien pro Gemeinde. Im Jahr 1750, während der Regierungszeit Friedrichs II., erfolgte eine Einteilung der im Lande lebenden Juden in 6 Klassen, je nach ihrer gesellschaftlichen Stellung (21). Insgesamt war das Leben von Juden durch ein außergewöhnlich hohes Maß von Reglementierung und Beschränkungen geprägt. Zu Veränderungen kam es erst im Zeitalter der Aufklärung, als sich allmählich Toleranzideen durchsetzen konnten (22).

Ein wichtiger Schritt in Richtung Emanzipation erfolgte nach dem Umbruch in Preußen, nach der Niederlage gegen das napoleonische Frankreich, als 1812 unter der Regierung Hardenbergs das preußische Emanzipationsedikt verabschiedet wurde. Juden konnten dadurch preußische Staatsbürger werden. Während der Phase der Restauration gab es zwar weiterhin zahlreiche Einschränkungen, aber es herrschte zumindest formale Gleichberechtigung. Zu beachten ist aber, dass es in unterschiedlichen Landesteilen Preußens uneinheitliche Regelungen gab. Diese reichten von unduldsamer Ausschließung bis zu unbeschränkter politischer Gleichstellung nach französischer Gesetzgebung. In Preußen gab es 1815 etwa 30 verschiedene Judenbezirke. Es folgten weitere Emanzipationsschritte, so wurden 1847 die ökonomischen Beschränkungen aufgehoben und in der Verfassung von 1848 war die formale Gleichberechtigung vorgesehen (23). Gleichberechtigung vor dem Gesetz erlangten die Juden in Preußen, beziehungsweise in den Staaten des Norddeutschen Bundes 1869 und nach der Reichseinigung 1872 im Kaiserreich (24). Dies bedeutete einen grundlegenden Wandel hinsichtlich der sozialen, ökonomischen und rechtlichen Stellung der Juden. In dieser Zeit entstand aber auch neue Feindschaft, der Begriff des Antisemitismus wurde geprägt. Wir wissen, dass dies in der Katastrophe des Holocaust endete. Der Vernichtungsfeldzug gegen die europäischen Juden führte auch zum Ende des jüdischen Lebens im Oderbruch. Es sind aber Spuren geblieben, denen im Folgenden nachgegangen werden soll.

Groß Neuendorf – Ort im Oderbruch mit interessanter jüdischer Vergangenheit

Unter den schon angesprochenen Orten im Oderland, in denen sich Zeugnisse und Spuren eines ehemals reichhaltigen jüdischen Lebens erhalten haben, nimmt das Oderbruchdorf Groß Neuendorf in gewissem Sinne eine Sonderstellung ein. Dort findet man heute den einzigen erhaltenen Dorfsynagogenbau der Region und einen außergewöhnlich gut erhaltenen und besonders idyllisch wirkenden kleinen jüdischen Friedhof. Obwohl die Zeit, in der die eigenständige jüdische Gemeinde von Groß Neuendorf existierte, von relativ kurzer Dauer war, war sie in ihrer Blütezeit von erheblicher Bedeutung für die Entwicklung des kleinen Oderbruchortes und ist untrennbar mit dessen Geschichte verbunden.

Die frühe Siedlungsgeschichte Groß Neuendorfs bleibt im Dunkeln, da keine schriftlichen Überlieferungen vorliegen. Die erste gesicherte urkundliche Erwähnung des Ortes datiert aus dem Jahr 1450, wo ein Nvyendorff erwähnt wird. Später, 1460, wird es Nuwendorff wff deme Bruche genannt. Der Namenszusatz, später auch „uffm Oderbrugk“ (1624) oder „im Bruche“ (1711) diente fortan zur Unterscheidung von den zahlreichen anderen Neuendorfs (25). Ungeklärt bleibt, ob es sich bei dem bereits 1349 erwähnten Ort Cruschik um Groß Neuendorf handelt (26). Der Flurname Kruschke in der unmittelbaren Umgebung hat sich jedenfalls bis heute erhalten (27).

Bei Groß Neuendorf handelt es sich um eine Altsiedlung und nicht um eines der zahlreichen Kolonistendörfer des Oderbruchs. Groß Neuendorf war ein kleines Fischerdorf. Dies wandelte sich nach der Trockenlegung des Oderbruchs. Aus den Fischern wurden allmählich Bauern und Händler, Handwerker und Gewerbetreibende siedelten sich an. Der Ort nahm wie die gesamte Region einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Einwohnerzahlen wuchsen stetig. Bereits im Jahr 1799 wurde durch 21 Häusler aus Neuendorf das Dorf Klein Neuendorf gegründet. Von da an war auch der Namenszusatz „Groß“ für das ursprüngliche Neuendorf gebräuchlich (28). Dies und die Tatsache, dass im Jahr 1861 über 2.000 Einwohner in Groß Neuendorf lebten (29), zeugt von einer relativen wirtschaftlichen Prosperität des Ortes, der im Vergleich zu vielen alten und neuen Dörfern im Oderbruch einen wichtigen Standortvorteil zu bieten hatte. Durch die direkte Lage am schiffbaren Oderstrom und seinen Hafen war Groß Neuendorf mit den Großstädten Stettin im Norden und Breslau im Süden verbunden. Auch Berlin war über Kanäle und Handelswege erreichbar (30). Dies war wohl der entscheidende Grund dafür, dass sich in Groß Neuendorf der aus Berlin stammende jüdische Getreidegroßhändler Michael Sperling ansiedelte. Sperlings Unternehmen florierte und er beschäftigte eine Reihe von jüdischen Arbeitern. So wurde 1847 die jüdische Gemeinde von Groß Neuendorf und Letschin gegründet, die ihren Sitz zunächst in Letschin hatte, bis dieser 1864 nach Groß Neuendorf verlegt wurde. Der Synagogenverband, dessen Stifter Michael Sperling war, umfasste die Orte Groß und Klein Neuendorf, Kienitz, Ortwig, Letschin, Sophiental und Gerickensberg. Bis 1897, als auf behördliche Anweisung die Synagogenbezirke von Groß Neuendorf und Seelow zusammengelegt wurden, existierte die eigenständige jüdische Gemeinde (31). Im Jahr 1882 zählte die Gemeinde 14 Mitglieder (32), zum Zeitpunkt der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 soll es noch zwei jüdische Einwohner in Groß Neuendorf gegeben haben (33).

In Groß Neuendorf hatte die jüdische Gemeinde bereits 1855 ein Grundstück erworben, um dort einen Friedhof anzulegen. Auf diesem fanden bis 1911 Bestattungen statt (34). Unter den 29 erhaltenen Grabsteinen findet man auch jenen von Michael Sperling. Insgesamt zeigt sich der Friedhof heute in einem sehr gepflegten Zustand. Das war nicht immer so. Der Friedhof war in seiner Geschichte offensichtlich mehrfach geschändet worden. Noch in den 1970er Jahren sollen Grabsteine entwendet worden sein. Laut Reinhard Schmook bot der Friedhof 1985 ein Bild der Verwahrlosung. Von 15 vorhandenen Grabsteinen waren einige zerschlagen und das Areal insgesamt dicht mit Bäumen, Efeu und Gestrüpp bewachsen (35). Auch die kleine, den Friedhof umgebene Feldsteinmauer, war nicht mehr intakt. Trotzdem gelang es, den jüdischen Friedhof von Groß Neuendorf mit viel Engagement als einen wichtigen Teil der regionalen Geschichte und als kostbares Kulturgut zu erhalten. Zwischen 1992 und 1994 wurde er wieder hergerichtet. An der Wiederherstellung waren neben Fachleuten vor allem Jugendgruppen des CVJM, des CJD, des Bundes der Antifaschisten Frankfurt/O., sowie eine Gruppe von äthiopischen Asylbewerbern beteiligt (36).

Eine Synagoge war 1865 an die Rückseite eines von Arbeitern der Firma Sperling genutzten Wohnhauses angebaut worden (37). Als sakraler Raum wurde das Gebäude bis 1910 genutzt. Heute dient es als Wohnhaus, wobei die zugemauerten neogotischen Spitzbogenfenster (38) noch immer an die ehemalige religiöse Funktion des Baus erinnern. Im Dorf befand sich außerdem eine Schule, in der auch der Lehrer wohnte. Das Fachwerkhaus existiert leider nicht mehr (39). Ebenso das repräsentative Wohnhaus der Familie Sperling, die sogenannte Villa Sperling. Das Gebäude hatte zwar den Krieg überstanden und diente später mehreren Familien als Wohnhaus, wurde aber 1982 durch einen Brand zerstört. Das Ortsbild und die wirtschaftliche Entwicklung Groß Neuendorfs wurde durch die Familie Sperling und ihr Unternehmen geprägt.

In den letzten Jahren hat man sich vor Ort sehr um den Erhalt und die Pflege des jüdischen Erbes gekümmert. Hinweisschilder machen auf die ehemalige Synagoge sowie den Friedhof und die damit verbundene Geschichte aufmerksam. Ergänzt wurde dies durch die Namensgebung Michael-Sperling-Platz an zentraler Stelle im Ort.

17. Juni 2007, Groß Neuendorf, Workshop: Jüdische Spuren in der deutsch-polnischen Grenzregion


(1) Vgl. Carsten Liesenberg, Synagogen in der Mark Brandenburg – Überlegungen zur Einordnung eines Bauwerktyps, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Hrsg. Irene Diekmann u. Julius H. Schoeps, Berlin 1995, S. 263.

(2) Vgl. Jörg H. Fehrs, Die Erziehung jüdischer Kinder in der Provinz Brandenburg, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Hrsg. Irene Diekmann u. Julius H. Schoeps, Berlin 1995, S. 363.

(3) H.G. Adler, Die Juden in Deutschland. Von der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus, München, Zürich 1987 (Serie Piper, Bd. 766.), S. 13.

(4) Kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Brandenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Jüdisches Leben in Brandenburg, Begleitheft zur Diareihe 106003, Potsdam 1996, S. 21.

(5) Vgl. Irene Diekmann, Julius H. Schoeps, Vorwort, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Hrsg. Irene Diekmann u. Julius H. Schoeps, Berlin 1995, S. 8.

(6) Vgl. Rosemarie Schuder, Rudolf Hirsch, Der gelbe Fleck. Wurzeln und Wirkungen des Judenhasses in der deutschen Geschichte. Essays, Berlin 1987, S. 120-121.

(7) Vgl. Gerhard Kegel: Prenzlau, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Hrsg. Irene Diekmann u. Julius H. Schoeps, Berlin 1995, S. 198.

(8) Vgl. Heinrich Simon, Glossar, in: Zeugnisse Jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Berlin 1992, S. 295.

(9) Vgl. Kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Brandenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, S. 23.

(10) Vgl. ebenda, S. 24.

(11) Vgl. Rosemarie Schuder, Rudolf Hirsch, 1987, S. 429-432.

(12) Erika Herzfeld, Juden in Frankfurt an der Oder während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges im Jahr 1675, in: Erika Herzfeld, Juden in Brandenburg-Preußen. Beiträge zu ihrer Geschichte im 17. Und 18. Jahrhundert, Hrsg. Irene Diekmann u. Hermann Simon, Teetz 2001, S. 18.

(13) Glossar, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, 1995, S. 474.

(14) Vgl. Rosemarie Schuder, Rudolf Hirsch, 1987, S. 437-438.

(15) Vgl. ebenda, S. 437-441.

(16) Erika Herzfeld, 2001, S. 19.

(17) Julius H. Schoeps, Auf dem Weg zur Glaubensfreiheit. Die Herausbildung des Toleranzbegriffes in Brandenburg-Preußen im Zeitalter Moses Mendelssohns, in: Jüdisches Leben in Brandenburg, Begleitheft zur Diareihe 106003, Potsdam 1996, S. 8-9.

(18) Ebenda, S. 9.

(19) Vgl. Kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Brandenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, S. 26.

(20) Vgl. Erika Herzfeld, 2001, S. 20.

(21) Vgl. Kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Brandenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, S. 26-27.

(22) Vgl. Julius H. Schoeps; 1996, S. 10-13.

(23) Vgl. Kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Brandenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, S. 27.

(24) Vgl. H.G. Adler: 1988, S. 89.

(25) Vgl. Brandenburgisches Namenbuch. Teil 8 Die Ortsnamen des Landes Lebus, von Cornelia Willich, Weimar 1994 (Berliner Beiträge zur Namenforschung, Bd. 9.), S. 113-114.

(26) Vgl. Groß Neuendorf/Oder gestern und heute. Geschichte und Informationen, Bd. 1, Groß Neuendorf 2003, S. 7-8.

(27) Vgl. Brandenburgisches Namenbuch, 1994, S. 218.

(28) Vgl. ebenda, S. 114.

(29) Vgl. Groß Neuendorf/Oder, 2003, S. 10.

(30) Vgl. Gerhard Köster, Die Verkehrsentwicklung des Oderbruchs, in: Das Oderbruch, Hrsg. Peter Fritz Mengel, Bd. 2., Eberswalde 1934 (Reprint Berlin 2003), S. 287-289.

(31) Vgl. Reinhard Schmook, Groß Neuendorf, in: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Berlin 1992, S. 95.

(32) Vgl. ebenda.

(33) Vgl. Michael Brocke, Eckehart Ruthenberg, Kai Uwe Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994 (Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum; Bd. 22.), S. 384-385.

(34) Vgl. Wolfgang Weißleder, Der Gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Hrsg. Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V., Potsdam 2002, S. 65.

(35) Vgl. Reinhard Schmook, Jüdische Reminiszenzen im Oderland, in: Nachrichtenblatt des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der Deutschen Demokratischen Republik, 9 1985, S. 9.

(36) Vgl. Etliche alte Grabsteine haben Jugendliche schon freigelegt, in: Oder-Journal. Amtsblatt der Stadt Seelow, 15.4.1992, S. 9., Jüdischer Friedhof soll ein würdiges Aussehen erhalten, in: Märkische Oderzeitung (MOZ) (Seelow), 17.1.1992., Erhalt seltener Spuren der Vergangenheit befürwortet, in: MOZ (Seelow), 18.4.1992.

(37) Vgl. Reinhard Schmook, 1992, S. 95.

(38) Vgl. Carsten Liesenberg, Synagogen in der Mark Brandenburg – Überlegungen zur Einordnung eines Bauwerktyps, in: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Hrsg. Irene Diekmann u. Julius H. Schoeps, Berlin 1995, S. 268-269.

(39) Vgl. Reinhard Schmook, 1992, S. 95.