Teil des Slubicer Friedhofs gesperrt

Gebeine aus deutscher Zeit durch Regen freigespült / Grabsteine des jüdischen Begräbnisplatzes wieder aufgestellt. Ein derzeit unbenutzter Teil des kommunalen Friedhofs in Slubice wurde jetzt von der Polizei gesperrt. Dort ruhen im Erdreich noch Tote aus der deutschen Zeit. Die Schaffung einer würdevollen Gedenkstätte schlagen Hobby-Historiker aus Frankfurt und Slubice vor.
Sie haben in jahrelanger Recherche jetzt eine Stelle ausfindig gemacht, an der Grabsteine vom jüdischen Friedhof und dem kommunalen Friedhof der einstigen Dammvorstadt liegen. Therese Samuel starb am 19. September 1924 im Alter von 67 Jahren. Der Grabstein der Frankfurterin stand auf dem jüdischen Friedhof in der damaligen Dammvorstadt, dem heutigen Slubice. Ihr Monument wurde ebenso wie die von Berthold Cohn (1876-1918) und Julius Biram (1881-1916) bereits Anfang der 1990er Jahre von dem Privatmann Roland Reimann in einem Wald bei Slubice entdeckt und solange auf einem Gehöft in Urad verwahrt, bis der jüdische Friedhof wieder in einem ordentlichen Zustand ist. In diesem Sommer konnten dort diese drei Funde mit Hilfe des Frankfurters Eckard Reiß, der seit Jahren zum jüdischen Friedhof forscht und dazu ein Buch verfasst hat, das demnächst erscheinen wird, wieder aufgestellt werden.
In diesem Wald konnten die Forscher jetzt weitere Grabsteine finden - teils noch komplett erhalten, teils nur noch als Fragmente. Auf diesem Areal hat man offenbar in den 1970er und den 1980er Jahren in mehreren Schüben wahllos Grabsteine vom jüdischen und vom kommunalen Begräbnisplatz der einstigen Dammvorstadt abgeladen.
Der Regionalhistoriker Roland Semik aus Slubice, der die polnische Öffentlichkeit zu einem respektvollen Umgang mit den Gräbern aus deutscher Zeit aufgefordert hatte, hat jetzt erreicht, dass ein Teil des heutigen städtischen Friedhofs in Slubice - der übrigens sowohl in deutscher als auch in heutiger polnischer Zeit nicht konfessionell gebunden sondern eine kommunale Anlage ist - von der Polizei gesperrt wurde.
Es handelt sich um einen derzeit nicht genutzten Bereich an der alten Friedhofsmauer, der von den Frankfurtern einst Lindenweg genannt worden war. In dem Erdreich liegen noch die Gebeine toter Frankfurter, einige waren schon vor dem September 2011 sichtbar, weitere wurden durch die heftigen Regenfälle im September freigespült. Daraufhin habe der Slubicer Bürgermeister Tomasz Ciszewicz die Sperrung des Areals angeordnet, berichtete Roland Semik. Die Staatsanwaltschaft habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, um die Identität der Toten zu klären. Die Stadt Slubice sei grundsätzlich bereit, eine Gedenkstätte für die toten Frankfurter einzurichten, sagte der Historiker. Ein Frankfurter, der aus der Dammvorstadt stammt, hat inzwischen Frankfurts Oberbürgermeister Martin Wilke über die Funde informiert. Dieser hat in seiner schriftlichen Antwort seine Unterstützung bei der Suche nach einer Lösung zugesagt.
Am Sonnabend konnten Semik und seine Freundin sowie Mitstreiterin Katarzyna Malczewska ein Fragment eines Grabsteins an Dariusz Orlowski, Chef der Friedhofsverwaltung in Slubice, übergeben. In dem Waldgebiet außerhalb der Stadt liegen noch weitere Grabsteine, einige konnte der Frankfurter Eckard Reiß identifizieren, darunter auch das Monument für Paul Büschel, dem langjährigen Direktor der Brandenburgischen Provinzial-Versicherung, die einst ihren Sitz in jenem Gebäude hatte, in dem sich heute das Slubicer Kulturhaus SMOK befindet.
Eckard Reiß hat jahrelang Dokumente zur Geschichte der Begräbnisstätten in der Dammvorstadt zusammengetragen. "Der erste Kirchhof der späteren Dammvorstadt, der in einer alten Kirchenrechnung ,Der Kirchhoff ober der Brucken' genannt wird, wurde 1577 eingerichtet und mit einem stabilen Bohlenzaun umschlossen. Eine genauere Platzbeschreibung ist jedoch aus dieser Zeit nicht überliefert", weiß er zu berichten. Der kommunale Friedhof der Dammvorstadt war am 22. Mai 1814 eingeweiht worden. Eine der letzten kirchlichen Amtshandlungen war die Beisetzung der Witwe Minna Friedrichson aus der Schützenstr. 4 am 25. Januar 1945 auf dem Dammfriedhof. Mit dieser Beerdigung musste die 131-jährige Geschichte des Dammfriedhofs abgeschlossen werden. Heute erinnert keine Inschrift mehr an diese Toten aus deutscher Zeit, alle Spuren wurden vernichtet. Ähnliches gilt für den Judenfriedhof. Dort sind unter ungeklärten Umständen alle Grabsteine abgebaut worden.
Nun wird in Frankfurt und in Slubice darüber nachgedacht, ob man am Totensonntag, 20. November, eine erste kleine Gedenkveranstaltung auf dem Slubicer Friedhof gestaltet kann - wenn dies der Wunsch der Frankfurter, die die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen wollen, sowie der Kirchen und Stadtführungen sein sollte.

Vollständiger Text/ cały tekst:
Veröffentlichung/ data publikacji: 01.11.2011